Das Warten hatte sich gelohnt! Die Prognosen sagten ja mehrere praktisch windstille Tage voraus, die wir zum touristischen Abfahren der Westküste von Zakynthos einsetzten und wirklich aus vollen Zügen geniessen durften. Was die Tagestouristen auf Ausflugsbooten zusammengequetscht innert 4h (inkl. 2 Badestopps) zu Gesicht bekamen, durften wir während 4 ganzer Tage in Ruhe erleben und kamen richtig ins Schwärmen. Gut, da war noch die Episode mit dem überraschend früh leer gewordenen Tank, sowie der ausgestiegenen Lichtmaschine. Doch das erfolgreiche Beheben dieser (wenn auch einfachen) Probleme gab zusätzliches Vertrauen und Zuversicht, dass auch noch mehr kommen dürfte, so es denn wollte (auch wenn es nicht nötig wäre). Und dann war auf den Sonntag ein kleines Tief direkt über dem Zentrum des Ionischen Meeres angesagt, das sich dann auch so einstellte. Also endlich wieder Wind!
Am Sonntag Morgen sind wir mit Sonnenaufgang aus den Federn und verlegen vom Hafen in Agios Nikolaos im Norden von Zakynthos zur Bucht gleich nebenan, wo die als Attraktion gepriesene Blue Cave liegt. So früh am Morgen ist dort noch niemand unterwegs. So ankern wir mit ausreichend Platz nahe an den Kavernen und Felstoren und fahren dann mit dem Dinghy rudernd hinüber. Wir erkunden die verschiedenen Höhlen ausgiebig, schwimmen und fotografieren. Die Blue Cave bekommt ihre Farbe von einem Durchgang unter Wasser, sodass das Licht hindurchschimmert. Friederike und Wolfgang von der SY Colette, eine wunderbar hergerichtete Feltz aus Stahl (16 to!), kommen auch früh vorbei. Wir hatten uns am Vortag im Hafen kennengelernt und dann den Abend mit ausgiebigen Gesprächen verbracht. Da ihre Ankerwinch ausgestiegen ist, sie also jeweils von Hand Anker auf gehen müssen, lassen sie das Manöver aus und schwimmen vom treibenden Schiff hinüber. Irgendwann wollen sie dann auch über den Atlantik, jetzt geht es aber vorderhand in die Adria.
Um 09h wird es für uns Zeit, die Passage nach Italien nun endlich in Angriff zu nehmen. An der Nordspitze von Zakynthos bekommen wir die angekündigten 10-15kn Wind aus südlicher Richtung, wir setzen also die Segel voll und nehmen Kurs nach Westen. Bald schon laufen wir flott mit gut 7kn. Der Himmel ist mit Wolken bedeckt, also sage ich mir, dass dies sicher gute Bedingungen zum Fischen seien. Ich lasse den Köder mit gegen 100m Leine raus. Dann sehen wir auch einige Blitze und hören auch entferntes Donnergrollen. In der Prognose waren Gewitter angesagt, aber erst deutlich später am Tag. Somit bleiben wir ruhig und lassen die Shiva mit Halbwind laufen. Als etwas Regen einsetzt nutze ich die Gelegenheit, die vom Salzwasser beschlagenen Scheiben der Sprayhood zu reinigen. Doch da höre ich tatsächlich bereits die Leine der Angelrute mit dem typischen Klickern ausrauschen. Ich denke noch nicht allzu viel dabei, schliesse erst meine begonnene Arbeit ab und gehe dann gemütlich zum Heck, um die Trommel der Angel abzustoppen. Meist hatte sich eh nur etwas Seegras oder Treibgut in der Angel verfangen. Doch diesmal liegt ziemlich kräftig Widerstand an, da hat in der Tat etwas angebissen. Ein erster Jubel! Brigitt bringt mir den Hüftgurt zur Angel und in gleichmässigen Zügen holen wir den Fisch nach und nach ans Schiff heran. Als der neben dem Heck treibt traue ich meinen Augen kaum: Da hängt ein richtig kapitaler Thunfisch dran. Mit dem Haken hole ich den auf die Badeplattform und mit reichlich Rum in die Kiemen wird er von seinem Leiden erlöst. Zwar reut mich der gute Schnaps anfangs, aber der Gedanke an die zahlreichen Tuna-Steaks lässt dies schnell verfliegen.
Mittlerweile stecken wir zwar mitten in der (zum Glück schwachen) Front dieses Tiefs, doch die Böen sind nur gut über 20kn. Zur Sicherheit laufen wir etwas nördlicher um das Ganze auf raumschot ablaufen zu können. Währenddessen mache ich mich auf der Badeplattform ans Ausnehmen des Thunfischs. Eigentlich gar nicht mein Ding, mich grausts vor Innereien und Blut. Aber da muss man halt durch, um an die Leckereien heranzukommen. Zudem geht’s beim Tuna ähnlich wie beim Mahi Mahi recht einfach, die essentiellen Filetstücke seitlich herauszuschälen. Aber es braucht seine Zeit, umso mehr als wir mit oftmals mehr als 8kn durch die Wellen rauschen und möglichst nichts unbeabsichtigt über Bord gehen soll. Brigitt kann dann unter Deck die Feinarbeit erledigen und so landen gut 4kg Tuna-Steaks portioniert im Tiefkühler, während eine weitere üppige Portion für den nächsten Abend in den Kühlschrank wandert. Schliesslich lag das Abendessen für die Passage bereits vorgekocht bereit. Die Angel blieb für den Rest der Passage drin, noch mehr Fisch hätte unsere Kühlkapazität gesprengt.
Die Passage übers Ionische Meer verlief danach ziemlich unspektakulär. Der Himmel klarte immer mehr auf. Wir liefen bis zum späten Abend und in die Nacht hinein mit südlichem Wind, also querab, und kamen so sehr gut voran. Irgendwann in der Nacht hatten wir das Zentrum des Tiefs erreicht. Nach knapp zwei Stunden unter Maschine erreichten wir bereits die Rückseite und bekamen nun den Wind aus nördlicher Richtung. Wenn auch nur noch schwach, bei der Richtung reichte es aus zum Segeln. So konnten wir schon am nächsten Tag unter Genaker gegen Abend die Küste von Kalabrien erkennen. Wir beschlossen, dort vor Anker zu gehen und es uns dann mit dem Fang vom Vortag gut gehen zu lassen. Der Wind war wieder komplett verschwunden, bei spiegelglatter See ankerten wir nahe des Leuchtturms am Capo Spartivento (… Nomen est omen!). Der Thunfisch schmeckte wirklich hervorragend, sowohl als Sushi als auch gebraten. Unser erster Fang im Mittelmeer überhaupt versetzte uns in ganz neue Sphären von Glücksgefühlen!
Da erst am übernächsten Tag wieder mit etwas Wind gerechnet werden kann, lassen wir die Shiva vor Anker zurück und fahren mit der Eisenbahn nach Reggio Calabria. So können wir uns wieder eine SIM-Karte mit fettem Datenpaket zulegen, die weniger kostet als die Travel-Option unseres Schweizer Telekom-Anbieters um ein einziges GB. Der Zug bringt uns auch wieder zurück und wir geniessen das Bad im Meer und die Sonne. Die restliche Passage südlich der Strasse von Messina bringt anfangs zwar etwas Wind, der jedoch richtig anstrengend wird mit ständig wechselnder Richtung und Stärke. Wir werden positiv überrascht, mit welcher Disziplin und Zuverlässigkeit die zahlreichen Frachtschiffe unserem Kurs ausweichen und uns den zustehenden Vortritt gewähren. Das AIS ist ein wirklich wertvolles Hilfsmittel geworden. Über VHF (also Funk) übermittelt es Position, Kurs und Geschwindigkeit des eigenen Schiffs und berechnet anhand der erhaltenen AIS-Daten der anderen Schiffe in der Gegend dann. ob eine mögliche Kollision droht. So lässt sich frühzeitig erkennen, ob ein Manöver angezeigt ist. Alle grossen Schiffe sind verpflichtet, dieses System zu führen, Sportboote können dies fakultativ einsetzen. Für uns ist es zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel geworden.
Vor Sizilien verbringen wir erst einige Nächte in der Bucht zwischen Taormina und Giardini Naxos. In Taormina findet zu der Zeit gerade ein Filmfestival statt, also ist viel (italienischer) Glamour da, aber auch viele Leute. Nach einem Abend auf dieser Luxusmeile haben wir’s gesehen. Viel mehr erfreut uns die morgendliche Wanderung von der Ankerbucht an Taormina vorbei hinauf zum Fort und dann weiter bis nach Castelmola. Von weit oben sehen wir hinab auf die Küste und ein verwinkeltes Dorf auf einer Felsklippe mit den Ruinen einer normannischen Burg. Dort befindet sich auch ein reichlich bizarres Lokal, nämlich das Ristorante Turrisi direkt am Kirchplatz. Der Nonno begann dort bereits bei Gründung im Jahr 1947 mit der Sammlung von allen möglichen Darstellungen von Penissen, sodass das Lokal nun definitiv nichts für Prüde ist. Sowohl die Menukarte als auch die Schnapsgläser und Likörflaschen haben die entsprechende Form und, wen wunderts, die Drinks tragen ebenfalls die dazu passende Bezeichnungen…
Nach einem kurzen Zwischenhalt in Aci Trezza und Castello erreichten wir wie geplant Catania und bekamen einen Platz in der Marina des Circolo Nautico. So konnten wir die Shiva für unsere zweite kurze Rückkehr in die Schweiz zur Hochzeit meines Neffen Florian beruhigt zurücklassen. Wir nutzen die Zeit bis zum Abflug gleich noch, die neue Antirutsch-Farbe auf dem Deck auszuprobieren. Hierzu demontiere ich alle vier Deckel der Backskisten und wir bereiten die Oberflächen vor. Die alte Farbe wird, wo lose, weggekratzt, Schadstellen grundiert und dann mit Epoxy aufgefüllt und schliesslich das neu erworbene Kiwigrip aufgetragen. Das Ergebnis begeistert uns und die Anwendung ist viel einfacher als befürchtet. So machen wir am Morgen vor dem Abflug auch gleich noch die Badeplattform neu. Die übrigen Flächen hoffen wir dann nach und nach dann auch unterwegs machen zu können. Damit wird die Shiva auch von Aussen wieder sehr ansehnlich, ja man kann ihr das Alter kaum mehr ansehen. So kann es also noch gut für einige Zeit weitergehen … ob es bis in den Pazifik reicht werden wir ja erst im nächsten Jahr entscheiden. Vorerst zieht es uns erst einmal in den Atlantik, und dazu muss nun ordentlich Strecke nach Westen gemacht werden.