Was waren wir doch noch fleissig in Cadiz…drei Wochen später sind die dort gespachtelten Stellen immer noch nicht geschliffen und grundiert, und der beiseite gelegte Pinsel ist definitiv nur noch Abfall. Wir erlebten dafür einiges an Aufregung, auf die auch hätte verzichtet werden können, aber insbesondere wunderbare Passagen unter Segeln und dann auf Madeira jene einzigartige Landschaft, die wir ja explizit gesucht hatten.
Golfo de Cadiz – Olhao
Etwas schwermütig liessen wir unsere neu gewonnenen Freunde Jorge und Arancia in Cadiz zurück und machten uns auf die Passage hinüber nach Portugal. Bei schwachen und wechselnden Winden kamen wir nicht im gewohnten Tempo voran und erreichten erst gegen Sonnenuntergang den Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal. Wir entscheiden uns für eine Übernachtung am Steg in Ayamonte, um dann gleich am nächsten Morgen früh die restliche Strecke bis in die grosse Lagune von Olhao zurückzulegen. So ergibt sich erstmals seit dem Mittelmeer wieder ein etwas besseres Verhältnis der Strecke unter Segeln gegenüber Maschine von 2/3 (118M, davon 77 gesegelt). Beeindruckend ist nun der Tidenstrom in den Durchgängen, insbesondere bei der Einfahrt in die Lagune, der uns mit über 8kn richtiggehend hineinspült. Wir ankern in der Nähe der Marina vor der Insel Culatra, die die Lagune aussen begrenzt.
Der Tidenhub in der Lagune ist beachtlich, fast 2.5m und legt den Weg hinüber nach Olhao bei Niedrigwasser trocken. Wir fahren mit dem Dinghy den langen Weg am Nachmittag bei Hochwasser hinüber und kaufen etwas ein, auf dem Rückweg müssen wir aussen um die Inseln herum zurück zum Schiff. Insbesondere können wir dort nun endlich unsere grosse Tankflasche wieder mit Propan füllen, was allerdings eine Stunde Fahrt mit dem Velo ins Hinterland und wieder zurück erfordert. Doch so ist unser Gasvorrat fürs Kochen für die nächsten 4-5 Monate, also bis in die Karibik, gesichert.
In der Nacht kurz nach 3h weckt uns aufkommender Starkwind. Ein Kontrollblick auf dem Deck scheint ok, zwar spannt die Ankerkette und der Schwell ist beachtlich, bläst es doch vom Land her und so baut sich über die Lagune eine ziemliche Welle auf. Kurz darauf sehe ich Licht übers Deck flackern und höre Rufe. Die gelten tatsächlich uns, welch Schreck! Unser Anker ist ausgebrochen und wir sind am Treiben. Bei gegen 30kn Wind und Regen also schlaftrunken die Maschine anwerfen und gegen den Wind halten, damit wir nicht mit einem hinter uns ankernden Schiff kollidieren. Ein erster Versuch, an derselben Stelle nochmals mit mehr Kette zu ankern versagt. Offensichtlich ist der Grund dort schlicht ungeeignet, was erklärt, dass es dort also derart viel Platz hatte! Im Finstern kurven wir bei starkem Wind, Strömung und Welle durchs Ankerfeld an den Rand und versuchen mit gehörigem Abstand nochmals mit ganz viel Kette neu zu ankern. Zur Erleichterung hält er nun auf Anhieb. Ich ärgere mich im Nachhinein, den Ankeralarm nicht sofort aktiviert zu haben. Wir sind jedoch erleichtert, dass dieses Malheur zumindest glimpflich verlaufen ist. Die Kombination von Starkwind, Welle, Hochwasser und schlechtem Ankergrund waren schlicht zu viel, für die anfangs noch bei ruhigen Verhältnissen ausgelegte Kette. Wie schon früher erwähnt… wir sind im Atlantik angekommen, also sollten wir uns rasch daran gewöhnen!
Nachdem wir ausgeschlafen sind und uns vom festen Sitz des Ankers überzeugen konnten, setzen wir im Dinghy hinüber nach Culatra. Mit der Fähre und dann mit Bus gelangen wir so via Olhao nach Portimao am anderen Ende der Lagune. Im dortigen Decathlon erstehen wir ein neues SUP für das in Mallorca geklaute, besichtigen kurz die schmucke Innenstadt und kehren dann auf selben Weg zurück an Bord.
Porto Santo
Die Windprognose verspricht bald darauf gute Verhältnisse für eine Passage nach Madeira. Dank dem nördlicheren Ausgangspunkt in Portugal sollte wir nun Raumschot auf Madeira zuhalten können. Wir können schon in der Lagune von Olhao die Segel setzen und gleiten durch den engen Kanal hinaus aufs offene Meer, zusätzlich vom Tidenstrom getragen. Draussen erwartet uns die erste wirklich lange Passage von 509NM bis hinüber nach Porto Santo. Als der ordentlich starke Wind aus N vor der portugiesischen Küste einsetzt reffen wir früh, kommen jedoch immer noch oft mit mehr als 8kn sehr flott voran. In den ersten 24h legen wir 180, in den zweiten nochmals 173NM zurück und erreichen damit noch lang vor dem Morgengrauen in finsterer Nacht Porto Santo. Um 05h fällt der Anker in der weiten Bucht vor dem ewig langen Sandstrand, wir haben für die 509NM gerade einmal 68h gebraucht und konnten alles segeln, abgesehen von 3h Flaute im Golfo de Cadiz.
Porto Santo bezaubert als ruhige, von Touristen eher wenig besuchte Insel, die jedoch diverse hübsche Flecken aufweist. Und dann ist noch die portugiesische Küche mit ihren Spezialitäten für Madeira: Bolo do Caco, Prego, …. schlicht lecker! Wir lassen es uns gut gehen, erkunden die Insel mit dem Fahrrad und erholen uns von der langen Passage. Für das Festival Colombo waren wir eine gute Woche zu früh, also erwägen wir, nach dem Besuch der Hauptinsel Madeira allenfalls nochmals zurückzukommen.
Irgendwie verpassen wir das geeignete Wetterfenster um rund um Madeira zu segeln. Entweder hat es zu wenig Wind, oder er bläst gegenan. So kurven wir schliesslich meist unter Maschine in diesem Archipel herum.
Ponta de Sao Lourenco & Ilha Deserta
Der Wind hat von N auf SW gedreht und soll auch einige Tage so bleiben. Trotzdem wollten wir schliesslich hinüber nach Madeira. So geht’s halt unter Maschine in die Bucht Enseada de Abra an der NE-Spitze der Hauptinsel. Dort bricht bei mir die Krise aus, denn der Generator will partout keinen Strom mehr produzieren. Zwar startet das Aggregat wie üblich problemlos, doch es baut sich keine 220V AC Spannung auf. Den ganzen Nachmittag versuche ich den Fehler zu lokalisieren, baue die Control-Box auseinander, vermesse alle Sicherungen und kontrolliere die Relais, finde aber keine Ursache. Per Mail frage ich um Unterstützung beim Hersteller und beim Händler an und bekomme auch rasch einige nützliche Hinweise. Doch, es will einfach nicht. Als wir am anderen Tag von der Wanderung zur Ponta de Sao Lourenco an Bord zurückkehren, versuche ich es nochmals und messe nochmals einige Stellen aus. Zur grossen Erleichterung kommt plötzlich die Spannung nach Zuschalten der Last wie gewohnt zurück und ein riesengrosser Stein fällt uns vom Herzen. Ohne Generator können wir den Wassermacher nicht betreiben und auch das Laden der Batterien könnte dann kritisch werden. Mit den Solarpanels können wir tagsüber idR. den Ladestand selbst unterwegs erhöhen, allerdings nicht bei bedecktem Himmel wie gegenwärtig. Und mit der Maschine lassen sich die Batterien auch laden, allerdings zu einem 3-4x höheren Dieselverbrauch bei tieferer Leistung.
Ich baue nun gleich auch noch das B2B-Ladegerät wieder zurück, das zum Schutz der Lichtmaschine zwischen Starter- und Service-Batterien mit den Li-Ergänzungsbatterien hinzugekommen ist. Doch dieses hatte den Effekt, dass statt der sonst üblichen 40-60A Strom aus der Lichtmaschine nur noch 20-30A in die Service-Batterien flossen. Aber dies reichte oft nicht aus, um die Ankerwinch im vollen Betrieb zu versorgen, die dann um die 100A zieht. So fiel dann die Spannung der Service-Batterien unter 12V, sodass einzelne Teile der Elektronik dabei abstellten. Jetzt ist also wieder gut, wie früher. Manchmal gehören Umwege halt auch dazu …
Wir verlegen für eine Nacht hinüber zur Ilha Deserta, einer unter Naturschutz stehenden Inselklippe im Süden. Zum Glück gibt es dort nun Mooringbojen, sodass man nicht mehr auf grosser Tiefe ankern muss. Die Ankerbucht Chao da Doca ist eng und mit den steil abfallenden, bunten Felsen zwar spektakulär, jedoch selbst bei wenig Wind extrem rollig. Der Aufenthalt an Bord wird so ziemlich ungemütlich, man darf nichts stehen lassen, sonst kippt es gleich um und auch Kochen wird zur Herausforderung. Ein Fischerboot legt sich kurz vor Sunset zwischen die beiden Bojen neben uns. Wir wundern uns, ist dies doch Naturschutzgebiet. Nach unruhiger Nacht kehren wir gleich wieder zurück nach Madeira und ankern dann in der ruhigen Bucht bei Machico. Den restlichen Tag hängen wir dort an Bord herum, denn es regnet fast ohne Unterbruch. Ich mache mich endlich einmal an die Schrauben der Traveller-Schiene. Jene an den Endstücke sitzen so fest, dass ich sie vorsichtig ausbohren muss. Doch so konnte ich neue Schrauben einsetzen, die sich auch wieder lösen lassen (und damit das Streichen des Decks erleichtern werden). Ausserdem mussten die Anoden am Kiel ersetzt werden, was ich mit Schnorcheln recht gut hinbekommen habe.
Caleta: Wanderungen entlang Levadas und zu den Picos
Für die restliche Woche haben wir einen Hafenplatz in Caleta im W der Insel reserviert, Funchal ist überfüllt. Um die Insel zu erkunden haben wir einen Mietwagen reserviert, der uns am Abend gleich vor die Marina gebracht wird. Wir besuchen das für seine Espetadas berühmte Restaurant Santo Antonio in Estreito da Camara do Lobos, definitiv kein Ort für Vegetarier. Dort bekommen wir dann auch noch etwas vom Wein Festival mit und treffen auf eine Familie, die nach Winterthur ausgewandert ist … die Welt ist doch so klein!
Die folgenden Tage absolvieren wir ein ziemlich dichtes Programm mit ausgedehnten Wanderungen entlang der für Madeira typischen Levadas. Diese Wasserkanäle führen Quellwasser oft von weit hinten in den Bergen mit sanftem Gefälle nach vorne in die Dörfer und zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen. Allerdings stellen wir bald fest, dass aktuell wohl Hochsaison für solche Touren sein muss, denn auf diesen Wege ist man definitiv nie alleine! Der Parkplatz am Trailhead ist meist schon früh voll und an den engen Stelle steht man Schlange. Heh nun, schliesslich sind wir auch Teil davon und schön ist’s trotzdem! Wir versuchen uns schliesslich auch an einem längeren Trail zur Caldeirao Verde im NE der Insel, was zwar eine lange Anfahrt bedeutete. Es ist beeindruckend, wie viele Kunstbauten, insbesondere Tunnels für das Strassennetz auf Madeira gebohrt worden sind. Zumindest kommt man so flott voran. Nach knapp drei Stunden erreichen wir das Ende dieser Levada und beschliessen, auch noch weiter bis zur Caldeirao do Inferno weiterzugehen. Der Weg ist auch schon bis hierhin nichts für Leute mit Höhenangst, oft geht man auf der schmalen äusseren Stützmauer des Wasserlaufs entlang steiler Felsen und blickt daneben tief in den Abgrund hinab. Meist sind diese aber gut mit einem Handlauf gesichert, manchmal fehlt dieser auch, weil ihn ein Steinschlag mitgerissen hat. Oftmals muss man durch schmale, lange Tunnels geduckt hindurch. Ich schlage mir natürlich in einem den Kopf recht heftig auf … der Fels war stärker. An einer Abzweigstelle mit Tunnels in drei Richtungen schaffe ich es, gleich alle falschen Wege auszuprobieren, bis wir endlich doch noch den richtigen erwischen. Der eine Tunnel hätte wohl mehrere km durch den Berg bis auf die S-Seite geführt, gut kehrten wir nach fast 15’ im Dunkeln endlich um.
Als wir zum Sonnenaufgang auf den Pico Areiro hinauffahren trifft uns fast der Schlag: der ganze Gipfel ist bereits zugeparkt mit Hunderten von Autos! Offenbar geht die Sonne andernorts nicht derart schön auf? Wir wollten eigentlich nur früh los hinüber zum Pico Ruivo, dem höchsten Punkt der Insel. Dieses Vorhaben teilten wir dann eben mit einigen Hundertschaften weiterer williger, aber nicht immer fähiger anderer Wanderer. Der Weg ist schmal, steil und in seiner Länge doch etwas anspruchsvoll. Er führt entlang eines Verbindungsgrates in ständigem Auf und Ab hinüber, mit zahlreichen wunderbaren Tiefblicken bis hinab zur Küste auf beiden Seiten und entlang schroffer Klippen. Leider muss der Lorbeerwald im Gipfelbereich vor nicht allzu langer Zeit abgebrannt sein. Die Stämme und Äste winden sich nur noch nackt und silbern und spenden keinen Schatten mehr. Als wir um 11h den Gipfel erreichen, nehmen uns die Wolken die Sicht. Aber was war anderes zu erwarten… hier mitten im Meer mit all der Feuchtigkeit, die von den Winden herangetragen wird.
In Caleta finden wir auch eine Schneiderin, die uns den vom überkommenden Baum beschädigten Reissverschluss am Sonnendach ersetzen kann, sowie den Sack für den Genaker auf die ideale Grösse verkleinert. Die Kosten dafür sind fast beschämend bescheiden: weniger als 20€! Diese Tage in Caleta sind wirklich extrem intensiv und wir nehmen so viele schöne Erinnerungen dieser vielfältigen Insel mit, insbesondere der bezaubernden Landschaft und der grossen Gastfreundschaft.
Festival Colombo
So machen wir uns nach dieser Wanderwoche also doch noch einmal auf nach NE nach Porto Santo. Der Wind ist uns hier einmal mehr nicht hold, es hat schlicht zu wenig … Zudem haben wir uns beide ein recht heftige Erkältung eingefangen und hängen damit etwas schlapp in den Seilen. In Porto Santo ankern wir wieder vor dem Hafen, die Moorings im Hafenbecken sind erwartungsgemäss alle besetzt.
Im Dorf Vila Baleira lassen wir uns von den Darbietungen der Laiendarsteller bezaubern, die den historisch wohl nicht zweifelsfrei belegbaren Zwischenhalt von Kolumbus auf seinem Weg über den Atlantik zelebrieren. Zumindest gilt als sicher, dass seine Gattin von der Insel stammte. Am Abend wird mit Akrobaten, Kostümen und Musik viel Unterhaltung geboten. Wir gönnen uns, was unser Zustand noch zulässt, sind jedoch meist früh in der Koje.
Aufgrund der vielen Motorstunden war nun auch ein erster Oel- und Filterwechsel bei der Maschine fällig. Dies verläuft entgegen den Befürchtungen recht glatt. Insbesondere das Herausdrehen des Oelfilters löst bei mir jedes Mal grosse Sorgen aus, kommt man dort doch nur auf der Maschine liegend heran und kann diesen mit der Hand nur schlecht fassen, geschweige denn Werkzeug einsetzen. Doch mit Handschuhen bekommt man ausreichend Grip und …es ging gleich auf Anhieb wunderbar! Allerdings muss bei der Arbeit die Dieselleitung beschädigt worden sein. Einen Tag später folgte also die Suche nach diesem Leck, das zum Glück gleich vor der Klemme lag. So liess es sich zum Glück einfach und schnell beheben, jetzt ist der Motorraum wieder tipp topp!
Passage Kanaren
Die Prognosen versprachen einige Tage mit recht konstantem N bis NE Wind, der uns eine gute Passage unter Segeln zu den Kanaren versprach. Wir unterteilten diese mit 2 Zwischenstopps, einmal bei der Ilha Deserta, dann auf der Ilha Selvagem. Die Bewilligungen hierzu für das Naturschutzgebiet lassen sich online einfach buchen. Der Stopp auf der Ilha Deserta war wie beim ersten Mal sehr rollig, obwohl der Wind nun aus der entgegengesetzten Richtung blies. Doch die beiden langen Teilstücke mit Nachtfahrt zur Ilha Selvagem und dann zur Isla Graciosa boten richtig entspanntes, flottes Segeln.
Auf der Ilha Selvagem durften wir an die grosse Mooring der Policia Maritima und waren froh, nicht in grosser Tiefe ankern zu müssen. Es war auch so noch ausreichend abenteuerlich, brachen die Wellen doch nur wenige Meter hinter unserem Heck eindrücklich über die Felsen hinweg. Wir bekamen eine sehr aufschlussreiche Führung über die Insel durch einen der Ranger. Die leisten jeweils zu fünft eine Schicht von drei Wochen auf dieser von der Welt abgeschiedenen Insel (und müssen sich dabei wohl auch ziemlich langweilen). Wir können die brütenden Jungvögel aus nächster Nähe betrachten, die in fast jeder Felsnische untergebracht sind. Sobald ihnen die Federn ausgewachsen sind, müssen sie vom Hunger getrieben selber den Weg aufs offene Meer hinaus finden und dabei gleich auch noch fliegen lernen. Die Eltern lassen sie gemästet etwa einen Monat vorher zurück. Die Geschichte dieser Möwenart beeindruckt. Sie paaren sich einmal und bleiben dann zusammen. Auch kehren sie immer wieder einmal im Jahr zur Brutzeit auf dieselbe Insel zurück. Sonst jedoch leben sie draussen auf dem offenen Meer. Gut, wir sind froh, dass unsere Aufenthalte auf dem offenen Meer sich auf längstens einige Tage beschränken. So erreichten wir nun die Kanaren und ankern nun bei der Isla Graciosa, im N von Lanzarote. Die Passage von Madeira hierhin belief sich auf 349NM, war aber dank dieser Stopps recht kurzweilig und dank gutem Wind ein Genuss. Nun werden wir die nächsten 5-6 Wochen die Kanaren erkunden.