Am Freitag kam Brigitt mit dem Zug aus der Schweiz an. Allerdings statt um 18h wie erwartet wurde es dann 23h. Die Verbindungen in Italien waren erst in dieser Woche wieder halbwegs ordentlich aufgenommen worden. So klappte offensichtlich vieles noch nicht, erst recht nicht fahrplanmässig. Aber offenbar waren zumindest alle Abteile höchstens mit 2 Passagieren belegt, was die fehlende oder ausgefallene Klimaanlage manchmal zu kompensieren vermochte.
Trotzdem liefen wir gleich am nächsten Morgen aus, denn es war etwas Wind angesagt. Zwar brauchte es erst etwas Geduld und Maschine, aber dann kam er endlich mit F3 aus West und erlaubte so eine flotte, ruhige Fahrt bei Halbwind bis nach Capraia. Wir erreichten die Insel gegen Abend. Mittlerweile hatte der Wind auf über 20kn aufgefrischt. Drei Ankerversuche in der felsigen, tiefen Bucht scheiterten, so gingen wir mit Hilfe eines Ormeggiatore an eine der Moorings. Bei derart starkem Wind von der Seite war selbst dies noch etwas abenteuerlich, aber es hatte ja kaum andere Schiffe und so hatten wir ausreichend Platz. Bei der Anmeldung am nächsten Morgen in der Marina überrascht uns diese mit einem unerwarteten Reduktion auf 50€. Wir machten uns auf einen Rundgang zur Erkundung des kleinen Dorfes und der Insel. Nach stärkendem Cappucino und Brioche wandern wir auf gutem Weg zum Monte delle Penne hinauf. Wir waren etwas spät dran und so macht uns die Hitze dann doch etwas zu schaffen. Aber die Aussicht ist grandios.
Nach der Rückkehr verlegen wir in eine kleine Ankerbucht nebenan, die Cala del Ceppo. Dort nehme ich den Wassermacher erstmals wieder in Betrieb. Alles klappt perfekt, wir sind nicht mehr auf eine Marina angewiesen (abgesehen vom Diesel, und der reicht sicher bis zum Saisonende). Jeweils nachmittags kommt immer mal wieder etwas Wind auf, den wir für die Passage hinüber nach Korsika nutzen. Wir steuern Bastia an und erreichen die Küste nach 6h. Restwolken einer Front geben ein stimmungsvolles Bild ab mit den wild gezackten Bergketten. Die Preise sind trotz Corona weiterhin prohibitiv. Auf Anfrage würde uns Bastia erts ab 120€ die Nacht in die Marina lassen. So ankern wir ruhig in der Anse du Porto Vecchio nebenan und geben das Geld für ein leckeres Abendessen in der Altstadt mit Blick über den Hafen aus.
Die nächste Überfahrt mit kräftigem Wind aus N lässt sogar ein Reff als angezeigt erscheinen. Hart am Wind bei fast 8kn Fahrt kommen wir zügig voran und sind trotz Abfahrt am Nachmittag bereits am frühen Abend an der Südküste von Elba. In der weiten Bucht der Marina di Campo liegen zwar schon viele Yachten vor Anker. Wir schleichen uns durchs Ankerfeld und finden noch Platz in der ersten Reihe unmittelbar an der Abgrenzung zur Strandzone. Am nächsten Morgen früh lassen wir es uns nicht nehmen, den Monte Capanne mit 1006m zu besteigen. Der Weg stellt sich schliesslich als etwas weiter heraus als erhofft, belohnt aber mit toller Aussicht. Wir sind auf den gut markierten Wegen allein unterwegs und begegnen erst auf dem Gipfel wieder Leuten, die mit der originellen Seilbahn hochgefahren worden sind. Diese verkürzt uns dann auch den Rückweg, zusammen mit einer Busfahrt rund um die Nordküste der Insel vom malerischen Dorf Marciana aus.
Der Bus bringt uns am nächsten Tag nach Portoferraio. Mit jenem Ort verbinden wir die Erinnerung an den Kauf und die Übernahme der Shiva im Frühjahr 2016, insbesondere an die faustdicken Lügen über deren Zustand und die nicht eingehaltenen Zusagen zur Einweisung des Voreigners. Aber sei’s drum, mittlerweile ist die Shiva ja wieder eine taugliche und bewährte Fahrtenyacht. Nach der Erfahrung mit Problemen von Spannungsverlust beim Kühlschrank schliesse ich die Tiefkühlbox nun auch an eine Leitung mit dickerem Querschnitt im Vorschiff an. Dort ist schliesslich ja auch die Heizung montiert, das Kabel liegt dort also bereit. Welche Freude, statt 10.5V auf der bisherigen Leitung sind dort nun die ganzen 12.5V vorhanden. Somit springt der in der Kühlbox integrierte Batteriewächter nicht mehr viel zu früh an, und wir haben auch bei einer Batterieladung von 40% immer noch kühlende, feste Eiscréme an Bord. Wieso ist mir dies nicht schon letztes Jahr in der Karibik eingefallen, ich hätte mir so viel Ärger ersparen können.
Erneut wollen wir den Wind am Nachmittag zur Überfahrt nach Giglio nutzen, aber diesmal wird nichts draus. Wir legen die ganze Strecke unter Maschine zurück. Diese läuft unentwegt zuverlässig und bietet keinerlei Anlass zur Sorge. Auch der neue Generator läuft mittlerweile einwandfrei. Nachdem ich die Schraubanschlüsse der Kühlwasserzufuhr nochmals besser abgedichtet habe, bleibt alles wunderbar trocken. Auch kann ich nun endlich den letztes Jahr in Martinique gebraucht erworbenen Wind-Generator zusammenbauen und am Achterstag hochziehen. Er funktioniert ruhig und gut, auch wenn die Ausbeute nicht gerade berauschend ist. Zumindest liefert er bei 15kn Wind am Ankerplatz ausreichend Strom, allerdings bekommt man die hier im Mittelmeer nur in seltenen Ausnahmen. Als Vorteil erscheint mir, dass er baugleich wie der bereits vorhandene Schleppgenerator als Backup dient und mit denselben Ersatzteilen versorgt werden kann.
Wir verlegen in die Bucht gleich neben dem Örtchen Giglio und gehen zu Fuss in die von Touristen und Ausflüglern geflutete Marina für Cappucino und Gelato. Ein sehr schöner, buschiger Basilikum lockt mit herrlichem Geruch und kommt mit an Bord ins Cockpit. Seither verwöhnt er unsere abendliche Caprese mit seinen frischen, grünen Blättern. Eine Gedenkplatte an der Fassade der Küstenwache erinnert an die Glanzleistung des Capitano Schettino, der den Ruf der stolzen Seefahrernation in einer einzigen Nacht im Januar 2012 zu Grunde richtete, als er die Costa Concordia mit über 4000 Passagieren vor dem Hafen auf dem Fels versenkte.
Am Nachmittag segeln wir zur südlichsten der toskanischen Inseln, nach Gianutri. In der kleinen Cala Maestra, die von drei Seiten mit Felsen umgeben ist, finden wir einen festen Ankerplatz mit zwei Landleinen. Zwar ist es etwas eng und untief, aber der Anker hält gut im Sand. Alle anderen Schiffe verlassen die Bucht gegen Abend und wir sind für uns allein. Das Wasser ist glasklar, man kann den Fischen von Bord aus zuschauen. Allein, es hat leider keine Korallen, die zum Schnorcheln einladen wie in der Karibik. Aber das Meer ist erfrischend kühl bei dem fast permanenten Sonnenschein. Einzig die zahlreichen Stechmücken trüben das Bild dieser ausgesprochen schönen Bucht. Wir schützen uns wohl zum ersten Mal mit den Moskitonetzen an Bord. Wir bleiben trotzdem zwei Nächte und geniessen die Sonnenuntergänge über dem Meer, trainieren unsere Fertigkeit auf dem SUP und entspannen.
Als die Windprognose eine gute Passage nochmals hinüber nach Korsika verspricht, legen wir frühmorgens ab, schliesslich liegen über 90NM vor uns. Anfangs werden wir auch mit F5 aus NE begrüsst, setzen das Gross gleich im ersten Reff und rauschen los. Doch nach eingen Stunden ist der Spass vorbei, selbst unter Gennaker ist nichts mehr zu machen. Die Maschine Nanni schiebt uns zuverlässig voran, bis am Nachmittag dann endlich wieder etwas Wind einsetzt. In der Tat kommen wir so unter Segeln bis in die Einfahrt der tiefen, grossen Bucht von Porto Vecchio im Süden von Korsika. Wir ankern im Sonnenuntergang gegenüber der Altstadt hinter dem Ilot Ziglione. Am nächsten Tag decken wir uns im Supermarkt nochmals üppig ein mit Fleisch, Glacé, Bier und Wein, auch wenn alles erst im Einkaufswagen zur Marina gerollt werden muss und dann im Dinghy an Bord gebracht werden muss. Eigentlich wäre ja an diesem 14. Juillet der französische Nationalfeiertag angesagt gewesen, doch wegen Corona waren alle Festlichkeiten abgesagt. Kein Feuerwerk, keine Musik oder Tanz in der Altstadt. Stattdessen Gesichtsmasken in allen geschlossenen Räumen. He nun, wir verlegen in die Baie de Rondinara, wo auch zahlreiche andere Yachten liegen. Mit unserem Tiefgang können wir jedoch erneut zuvorderst beim Strand einen Ankerplatz finden und gönnen uns ein leckeres Abendessen an Bord im Sonnenuntergang.
Nun sind wir in der Bouche de Bonifacio angekommen, dem Durchgang zwischen Korsika und Sardinien mit seinen zahlreichen kleinen Inseln, die unter Naturschutz stehen. Wir laufen die Ille de Lavezzi an und ankern aufgrund des kräftigen W-Wind auf deren Ostseite. Die Inseln hier sind felsig, deren Blöcke sind rund abgeschliffen wie Skulpturen von Henry Moore. Die Insel erlangte gewisse Berühmtheit (resp. Berüchtigung) weil die französische Fregatte Semillante mit über 700 Infanteristen an Bord bei einm Sturm im Februar (!) 1855 mit Mann und Maus sank, ohne dass jemand überlebt hätte. Nicht einmal die Ertrunkenen liessen sich noch identifizieren, ein Friedhof mit namenlosen Gräbern und ein Denkmal erinnern an das Drama.
Wir besuchen kurz Bonifacio. Der starke Wind mit F5 von der Seite macht das Manövrieren im engen Hafen zum Abenteuer. In der Cala Catena wollten wir eine Mooring aufnehmen. Die Crew auf einem der Schiffe weist uns darauf hin, die Leinen der freien Plätze seien gekappt worden. Bei einem der Versuche hängen wir zu allem Elend mit dem Ruder an einer Leine ein, mit der ein Motorboot-Wrack dort parkiert worden ist. Nur mit Mühe kommen wir wieder frei. David steigt auf das andere Boot hinüber, wirft die Leine frei und ich nehme ihn dann schwimmend in der Mitte der Bucht wieder auf. Die ganze Übung hat uns die Batterie des Bugstrahlruders geleert. Ohne dessen Hilfe schaffen wir es nicht mehr, den Bug durch den starken Wind zu drehen. Wir legen uns schliesslich rückwärts an einen der vielen freien Plätze in der Marina. Mit dem Generator lade ich dort die Batterien wieder auf. Die üblichen Preise in der Marina seien nicht verhandelbar, beschied mir die resolute Dame im Office, und dies ist uns halt immer noch zu teuer. Wir besichtigen kurz die Altstadt und gönnen und ein Eis, dann segeln wir in flotter Fahrt hinüber nach Sardinien in eine Bucht hinter dem Capo Testa. Sinnigerweise heisst die Bucht Santa Reparata. Dies muss wohl die Schutzheilige der Yachteigner sein!!!
Jonas erklärt uns via Whatsapp, dass die bizarr verwitterten Felsformationen aus grobkörnigem Granit auf Korsika und Sardinien als Tafoni bezeichnet werden. Wir wandern um das Kap herum und bestaunen die wild und urtümlich geformte Landschaft. Ein Paradies zum Bouldern, und dann diese (oft) einsamen Buchten mit kristallklarem Wasser. Eine Kolonie von Aussteigern hat sich an der westlichen Spitze in der Cala della Luna/Cala Grande zumindest für den Sommer niedergelassen. Dort leben sie in von den Felsblöcken geformten Höhlen oder in Zelten mit Kind und Kegel in Grossfamilien.
Schliesslich geht es in das berühmte Maddalena-Archipel an der Costa Smeralda von Sardinien. Eine erste Bucht, die Cala Lunga an der W-Seite erweist sich als viel zu unruhig und eng beim vorherrschenden W-Wind mit F6, also über 25kn. Die Enge zwischen Korsika und Sardinien wirkt wie eine Düse und beschleunigt den Wind ganz beträchtlich bis auf Sturmstärke. So verzichten wir halt auf den Sonnenuntergang über dem Meer und legen uns auf die E-Seite der Isola Budinelli gleich neben die Pink Beach. Welch Frust, der karibisch anmutende Strand der schönen Bucht ist abgesperrt, betreten und schwimmen sind verboten. Doch daneben an unserem Ankerplatz ist das Wasser genauso klar und erfrischend. Gegen Abend taucht ein Ranger auf und will uns einen Tagespass für dieses Naturschutz-Gebiet verkaufen. Wir haben den bereits im Internet recht unkompliziert für 25€ pro Tag gelöst und sparen uns so mehr als die Hälfte der Kosten. Neben Budinelli besuchen wir schliesslich auch noch die Inseln Santa Maria und Spargi.
Den Abschluss bildet schliesslich eine Nacht in der Cala Francese auf der Hauptinsel La Maddalena. Zu Fuss erreichen wir das malerische Städtchen und feiern in einem Steakhouse den Abschied von David, der am nächsten Tag in Palau von Bord geht. Er fand bei der Swiss einen direkten Rückflug von Olbia zurück nach Zürich.
Brigitt und ich mussten nun aber wieder hinüber nach Italien aufs Festland, denn unsere nächste Crew erwartete uns in drei Tagen in der Nähe von Neapel. So galt es halt trotz unerfreulicher Windprognose die Passage anzutreten, das meiste wohl unter Maschine. Anfangs segelten wir zwar noch flott von Palau los, am Capo dell Orso vorbei und durch den Passo delle Bisce entlang der Costa Smeralda. Aber schliesslich wurden es 19 Stunden unter Maschine, bis wir kurz vor den Pontinischen Inseln wieder Wind verspürten und die letzten 5h noch unter Segeln zurücklegen konnten.
Wir fanden einen romantischen Ankerplatz hinter der Insel Ponza gleich vor einem Badestrand. Die Insel ist von steilen Felsklippen abgegrenzt, an der Südspitze ragt der Leuchtturm Faro della Guardia steil ins Meer hinaus. Wir finden zu Fuss den Weg dorthin entlang der Klippen und schlängeln uns am ramponierten Absperrgitter hindurch, um schliesslich mit einem phänomenalen Ausblick belohnt zu werden. Leider viel zu früh müssen wir aber wieder weiter, denn unsere Crew wartet… Wir nehmen uns vor, auf dem Rückweg (aber sonst sicher ein andermal) diesen schönen Flecken nochmals zu besuchen.
P.S. Mittlerweile sind wir bereits vor Stromboli und bestaunen die sporadischen Rumser des Vulkans, der alle 5-10′ Feuer speit. Davon aber später.